Vor 1947
In Unterkochen trafen sich schon vor dem Kriege Schachfreunde zum zwanglosen Spiel, wie das auch in vielen anderen Gemeinden der Fall war.
So stellte damals Direktor Herbert Becker von der Fa. Gebr. Wöhr den Schachspielern im Werk den Kantinensaal zum abendlichen Schachspiel zur Verfügung. Als dann nach dem Krieg 1945 der Begeisterung für die 64 Felder nichts mehr entgegenstand, ließen sich die Unterkochener Schachjünger gerne von den traditionsreichen Schachvereinen aus Aalen, Schwäbisch Gmünd und Heidenheim auf dem Weg zur Gründung eines Schachvereins führen. Ganz besondere Verdienste als Geburtshelfer erwarb sich dabei der erste Leiter des Bezirks Heidenheim-Aalen, Landwirtschaftsdirektor Lauen aus Königsbronn. Unermüdlich war er mit dem Fahrrad unterwegs, um den Unterkochener Schachfreunden bei der Vereinsgründung mit Rat und Tat beizustehen und sogar Schachunterricht zu geben.
Im Café "Morassi" fanden die Schachfreunde einen gastfreundlichen Rahmen; dort organisierten sie auch Tanzabende - bis zu drei im Jahr - die sie die schwierigen Zeiten etwas vergessen ließen.
Als großen Spieler von Format,
Seht ihr meist im Sonntagsstaat.
Unsern Traub als Kavalier,
Bei den meisten Tanzpläsier.
Die Anfänge waren schwer; der Besitz von Uhren und Schachmaterial keine Selbstverständlichkeit. Aus den Unterlagen des Vereins geht hervor, dass eine Mahnung der Königsbronner eingegangen war, am 8.Nov. 1947 ausgeliehene Schachuhr sowie zwei Spiele wieder zurückzugeben, da sie ihrerseits Uhr und Spiele dem Heidenheimer Schachverein als dem Besitzer zurückgeben wollten.
Der Mangel an Material, insbesondere an Uhren, war noch lange vorherrschend. So bot der Schachverein Gerstetten den Unterkochenern an, Uhren zu einer Begegnung mitzubringen. Der Verband selbst bemühte sich immer wieder, den Vereinen Uhren zu verschaffen.
Des weiteren bot die Bezirksleitung das Büchlein von Müller "Botwinnik lehrt Schach" zum Kauf an. Selbst ein Preis pro Stück von 12,- DM war nicht einfach zu verkraften.
Dazu kamen die vom Verband erhobenen Versicherungsbeiträge mit 83 Pf pro Spieler und Jahr. Im Februar 1950 mussten etliche Vereine ermahnt werden, diese Beiträge zu entrichten.
In einem Gedicht zum Fasching beschrieb Schachfreund Opferkuch die Situation so:
Der Kassier, ein armer Mann,
Fragt er wegen Beitrag an.
Bringt er stets nur soviel rein,
Wie er bisher bracht Siege heim.
Die Verkehrsbedingungen waren damals nicht sehr komfortabel. Wenn Begegnungen im Bezirk Ostalb anstanden, nahmen die Vorsitzenden Kontakt miteinander auf, um Zeit und Ort festzulegen. Beispielsweise geht aus einem solchen Schriftwechsel hervor, dass die Mannschaft aus Sontheim mit dem Eilzug kommen wollte, vermeintliche Ankunft in Unterkochen 8.05 Uhr.
Die Fahrt mit der Härtsfeldbahn (dr' Schättere) ließ eine Begegnung mit Neresheim fast den ganzen Sonntag dauern.
Die Widrigkeiten, die das Mannschaftsspiel erschwerten, zeigt die folgende Begebenheit im Winter 47/48: Die Schachfreunde aus Unterkochen hatten gegen den altehrwürdigen SC Ellwangen anzutreten. Die Fahrt mit der Bahn hatte nicht geklappt. Also blieb ihnen nichts anderes übrig, als sich auf die Sättel ihrer Fahrräder zu zwingen und loszufahren. Sowohl der Schnee auf den Straßen, als auch die amerikanische Militärpolizei hielten sie sehr auf. Ob dann an diesem Tage die Begegnung im Café Rupp zustande kam, ist aus den Unterlagen nicht mehr zu ersehen.
Die spielerische Situation bei den Mannschaftskämpfen stellte Schachfreund Opferkuch in einem Faschingslied, zu singen nach der Melodie "Droben auf der rohen Alb", dar:
Ja unsre erste Garnitur
Sind lauter Schachkanonen nur.
Acht Mann, die kämpfen ungemein,
Geschlagen kehren sie stets heim.
Die Schachfreunde ließen es sich nicht verdrießen und trainierten fleißig in der Hoffnung auf bessere Zeiten. Als erster der Vereinsgeschichte erkämpfte sich H.Schleißner den Titel eines Vereinsmeisters.
Doch mit der Zeit vollzogen sich gewisse Wendungen. Dazu wieder unser scharf beobachtender Barde:
Am ersten Brett der Schleißner sitzt,
Er hat viel Gegner zugespitzt.
Doch seit ihn kettet eine Braut,
Spielt er als wärs Gehirn geklaut.
Einige weitere Verse beschreiben diese Spielabende sehr anschaulich:
In der Stunde einen Zug,
Auf dem Hut den Doktorhut,
Schlägt er alle Gegner breit,
Denn er hat unendlich Zeit.
Wir haben noch nen Doktorsmann,
Der zieht den Leuten manchen Zahn.
Caissa ist ihm nicht gewogen,
Beim Schach wird ihm der Zahn gezogen.
Die Brüder Josef und der Paul,
Die sind im Schachspiel auch nicht faul;
Sie schlagen manchen Kämpen platt
Und sind darauf selbst meist matt!
Herr Zeller, der ist sehr gewandt,
Als Kiebitz die Method er fand.
Er greift hinein mit seinen Pfoten,
Doch ist beim Schachspiel das verboten!
Im Oktober 1948 erblickte dann der Schachverein Herbrechtingen das Licht des Bezirks. Die Bitte des Bezirks an alle Schachvereine, Herbrechtingen mit 2,- DM pro Verein zu unterstützen, zeigt die missliche Lage, in der die Menschen nach dem Kriege steckten.
Herbert Patzak war neuer Vereinsmeister 48/49. Auf ihn bezieht sich der folgende Vers:
Der Patzak ist ein hohes Haus,
Er fängt die Dam' wie d'Katz die Maus.
Doch zur allgemeinen Feier
Schlug ihn jüngst der Burghardsmeier.
Folgendes lesen wir noch in den Vereinsunterlagen:
Neresheim und Gerstetten kommen in die B-Klasse. Der Neresheimer Spielleiter ist unter Apparat 39 telefonisch erreichbar. Ab dem 1.September erscheint die "Aalener Volkszeitung".
Noch im Jahre 1950 war man finanziell nicht auf Rosen gebettet; so wird von vielen Vereinen beantragt, ausstehende Versicherungsbeträge (83 Pf pro Person) zu stunden.
Schachfreund Matheyka wird Bezirksspielleiter.
Im Jahr darauf griff der Württ. Schachverband dem SVU tatkräftig unter die Arme und gab ihm leihweise eine Uhr, zwei Spiele und zwei Decken ab. Gerstetten bot beim Rückrundenspiel 1952 an, Uhren mitzubringen. Mahnung des Schachbezirks Heidenheim-Aalen, die 2,- DM Meldegebühr zu bezahlen; einige Vereine waren im Rückstand.
Die Kapellen Lang und Ohnewald konnte man sich bei einem Eintrittspreis von 50 Pf anno 1952 immerhin leisten.
Schon 1949 muss einer der legendären Faschingsbälle stattgefunden haben, denn die Gema forderte 12,22 DM - und das zum wiederholten Male. Willy Niemann war damals noch Jahrzehnte danach Vergnügungswart. Die Stimmung war bei ihm in besten Händen.
Diese Bälle stellten ein wichtiges gesellschaftliches Ereignis in Unterkochen dar. Unter den meist 90 geladenen Gästen gaben sich und dem Verein der Bürgermeister Max Schrezenmeier die Ehre, sowie der Förderer der Schachgemeinde, Direktor Herbert Becker, der später zum Ehrenmitglied ernannt worden ist. Auch die Vorstandsmitglieder anderer Vereine trugen so zur Einbindung des SVU ins Unterkochener Leben bei.
Die 19 Mitglieder veranstalten auch 1953 zwei Tanzabende (Eintritt -,50 DM).
Th. Schuster wirbt durch einen Lehrabend im Hotel Krone in Schwäbisch Gmünd für das Spiel auf den 64 Feldern. Es gibt eine Frauenmeisterschaft in Schwäbisch Gmünd.
Dass die einzige Spielerin im SVU ihre Erfolge hat, beschreibt Georg Opferkuch so:
Im Schachverein, ich weiß genau,
Sind 32 Mann und eine Frau;
Die Frau, die hat vom Schach was weg,
Sie ist der reinste Männerschreck.
1954 Fasching mit Kapelle Ohnewald.
Januar: Theo Schuster bestreitet in Schwäbisch Gmünd einen Schulungskurs für die rund 200 Spieler im Bezirk Ostalb.
März: Theo Schuster spielt simultan und spricht über Eröffnungsfehler und ihre Ausnutzung.
Juli: Tanzabend im Café "Morassi".
Optimismus: Für die Meisterschaften werden 1000 Partieformulare bestellt.
Der Mangel an Uhren erfordert noch lange Zeit, dass die Zugfolgen bei Blitzschach-Wettkämpfen durch Zehnsekunden-Kommandos geregelt werden.
Kreisvergleichskämpfe in Schwäbisch Gmünd: Zwei Mannschaften aus je 15 Spielern bestehend.
Dazu ist aus den Unterlagen nur zu ersehen, dass sich die Teilnehmer in der Gunst folgender Angebote sehen dürfen: Suppe, Bratwürste mit Salat - 1,80 DM; Suppe, Rinderbraten, Teigwaren mit Salat - 2,50 DM.
Dass sich große Schachmeister durchaus nicht alle Züge überlegen, zeigte 1962 Theo Schuster.
Die Unterkochener Schachfreunde mussten lange auf den Gast warten, den sie zu einem Simultanwettkampf eingeladen hatten: Sein Zug verfuhr sich bei Waiblingen, so dass der mit dem PKW von Backnang abgeholt werden musste.
Auch die Brisanz von Aufstiegsspielen kann den Humor nicht verdrängen.
Unser Gründungsmitglied Willy Neumann ist für seine Spielstärke bekannt, aber auch für seinen rheinischen Humor. Bei einem solchen Spiel hatte er einen sieggewohnten Gegner am Brett. Nach weniger als 40 Zügen konnte Willy die Partie für sich entscheiden. Sein Gegner reichte ihm die Hand, nicht ohne zu bemerken, heute weit unter seiner üblichen Qualität gespielt zu haben. Tröstens antwortete Schachfreund Niemann: "Beruhigen sie sich, Verehrtester, ich hatte heute auch nicht meinen besten Tag."
Nochmals Danke an René Baier für diese Recherche in den Analen des Schachvereins!